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Aldo Haesler

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Aldo  Haesler, Soziologe und Wirtschaftsphilosoph, würdigt Gelddenker von heute und der Vergangenheit in kritischer Weise. 

Videoportrait des Autors Aldo Haesler, ein Film von Oliver Sachs und Lisa Oehler

50 Gelddenker-Portraits, von Aldo Haesler

Das Thema von besonderem Interesse für Aldo Haesler

Portrait Aldo Haesler (1954) – Die Moderne neu erklären

Seit über 40 Jahren befasst sich Aldo Haesler mit dem Thema Geld. Dabei lag der Fokus von Anfang an auf der Analyse von Tauschformen. «Vom Nullsummenspiel zum Positivsummenspiel» und «Dematerialisierung des Geldes» sind weitere Themen. Beide haben eine markante Wirkung auf die Gesellschaft. 2018 ist sein Buch «Hard Modernity» erschienen, in dem er sich mit der Frage befasst, wie die Moderne entstanden ist. Wie kaum ein anderer ist er aufgrund seiner Forschungen befähigt, eine moderne Übersicht über Gelddenker kritisch zu kommentieren.

Ideen und Werke

Tauschformen
Der Ausgang von Aldo Haeslers Forschung liegt in den 70er-Jahren. Die Soziologie sollte sich seiner Meinung nach mit der Geschichte zusammenschliessen. Haesler ist es dabei ein Anliegen, diese Geschichte anders zu schreiben. Der Fokus soll nicht auf die Produktion, sondern auf die Zirkulation und den Tausch gesetzt werden.

Aldo Haesler ist mit dem Credo aufgewachsen, dass alle Probleme technisch lösbar seien. Doch diese Sichtweise griff für ihn bald schon zu kurz. Was ihn interessierte, waren die Ordnung der Gesellschaft und die Beziehung der Menschen. Vom soziologischen Gesichtspunkt aus analysierte er zwei prägende Tauschformen:

  • Der symbolische Tausch dient dem Bilden von sozialen Beziehungen.
  • Der wirtschaftliche Tausch dient dem Austausch von Gütern und der Befriedigung von Interessen.

Die Analyse der Tauschformen, ihr Auftreten in verschiedenen Gesellschaftsformen und ihre Wandlung im Verlauf der Zeit bilden die Grundlage von Haeslers weiteren Forschungen.

Die Entstehung der Moderne
So befasst sich Aldo Haesler seit Jahren mit der Frage, wie die Moderne entstanden und wie sie zu erklären ist. Den Beginn der Moderne ortet er im 17. Jahrhundert. Ein Jahrhundert, in dem eine neue Vorstellung von Freiheit entsteht, in dem sich die Gesellschaft selbst organisiert, in dem der Wirtschaftstausch neu gedacht wird. Bis anhin galt: Der Gewinn des einen ist der Verlust des anderen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gilt das nicht mehr: Jetzt soll der Profit des einen auch zum Profit des anderen führen.

Vom Nullsummenspiel zum Positivsummenspiel
Diese mit den Merkantilisten entstehende Veränderung ist fundamental. Aus einer Nullsummen-Gesellschaft soll eine Win-win-Gesellschaft werden. Das Medium, das dieses Positivsummenspiel überhaupt zulässt, ist Geld.

Das Positivsummenspiel hat im Abendland eine kulturelle Revolution ausgelöst. Durch Synergien und ein Zusammenspiel entsteht ein Plus. Bildlich nach Aldo Haesler gesprochen: 1 plus 1 gleich 99. Musik, Kultur, Wissenschaft der Neuzeit sind so entstanden. Das Positivsummenspiel ist sozusagen das Take-off der Moderne.

Die Dematerialisierung des Geldes
Doch das Ganze hat einen beziehungsweise zwei Haken. Einerseits wurde Geld im Zuge des Modernisierungsprozesses quasi frei schöpfbar, und das Spiel hat sich zu einer ungeheuren Dynamik entwickelt. Das Geld hat sich emanzipiert. Es befreit sich von seiner Materialität und von allen Zwängen und Normen. Anderseits benötigt das Positivsummenspiel unbegrenzte Ressourcen – die nicht vorhanden sind. Folgen sind Umweltkrisen und Ausbeutung. Fazit: Wenn A profitiert und B profitiert, verliert C doppelt.

Schwellenzeit 70er-Jahre
Der Bruch liegt nach Aldo Haesler in den 70er-Jahren. In diesem Jahrzehnt ist vieles geschehen: Auflösung des Bretton-Woods-Systems, Aufkommen des Computers, das Ende von Utopien wie der Marx’schen usw. Es ist der Übergang einer Soft Modernity zu einer Hard Modernity, sozusagen einer faustischen Moderne: Der Geist ist aus der Flasche entwichen.

Haesler geht davon aus, dass die Krise 2008 bisher nur das kleine Feuer war. In der drohenden Abschaffung des Bargelds sieht er dramatische Konsequenzen. Es würde unser Denken beeinflussen. Eine universelle Norm ginge verloren, eine Norm der Gegenseitigkeit. Sie nennt sich Do ut des: Ich gebe, damit du gibst. Oder anders ausgedrückt:  Wer Recht möchte, muss bereits sein, Opfer zu bringen.

Vita

Bereits in den 1970er-Jahren hat Aldo Haesler sich in seiner Dissertation mit Tauschformen befasst. An der Universität St. Gallen studierte er Wirtschaftswissenschaften und –soziologie sowie Philosophie. Sein Themenschwerpunkt verlagerte sich ab 1983 hin zur Geldtheorie. Er war Privatdozent an der Universität Lausanne und Direktor des Instituts Montana.  Seit 2001, Zeitpunkt seiner Habilitation, ist Aldo Haesler Professor für Soziologie an der Universität Caen.

Er ist Redaktor des Kompendiums «Kulturen des Geldes» der Sunflower Foundation.

Ausgewählte Werke

Tausch und gesellschaftliche Entwicklung. Zur Prüfung eines liberalen topos. Dissertation Hochschule St. Gallen 1983.

Sociologie de l’échange et postmodernité. Recherche sur les conséquences sociales et culturelles de l’électronisation des flux de paiement. Genf & Paris, Droz 1995.

Das letzte Tabu. Ruchlose Gedanke aus der Intimsphäre des Geldes. Frauenfeld, Stuttgart & Wien, Huber 2011 (20122).

Hard Modernity. La perfection de la modernité capitaliste et ses limites. Paris, Matériologiques, 2018.

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Letzte Änderung:01/11/2019